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Auswege, Alternativen und neue Marktstrategien

Agrarmisere und Schuldenfalle

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Autor: Walter Kothe und Michael Born   
Immer mehr Landwirte kommen dieser Tage in ernste Schwierigkeiten. Die Erträge, die der Hof abwirft, decken oft nur noch die Betriebskosten. Manchen droht inzwischen sogar der Verlust des gesamten Hofes durch Überschuldung.

Die Ursachen für diese Fehlentwicklung sind vielfältiger Natur. Oft wirken mehrere Faktoren zusammen. Einige Wesentliche seien genannt:
An erster Stelle zu nennen ist eine weitgehend verfehlte Preispolitik auf EU-Ebene, mit der Konsequenz eines so gut wie ungebrochenen Preisverfalls für die meisten Agrarprodukte.Über Jahrzehnte hinweg!

Von Stern-Redakteuren, Selbstversorgern und Paprikaschoten
Quelle: zentralgarten.de

.... Eine Salatgurke für 19 Cent, drei Paprikas in Ampelfarben für 79 Cent - welcher Gärtner kann schon zu diesen Preisen produzieren, wenn er alle Kosten für Saatgut, Anzuchterde, Töpfe, Geräte, Wasser und womöglich das beheizte Gewächshaus einkalkuliert?

Befremdlich also, dass der Artikel im “Stern” nur um den angeblichen Sparvorteil kreiste; von der Freude am Gärtnern, der Lust, jeden Tag etwas Neues zu entdecken, dem Entzücken der Kinder, wenn sie die Monatserdbeeren plündern, war in keinem Satz die Rede. Selbst der oft bessere Geschmack der knackfrischen Gartenware blieb unerwähnt, ebenso wie die ökologischen Vorteile. Im Gegenteil: Wer sich selbst versorgen wolle, so wurden wir belehrt, müsse “das Ökologische” lieber vergessen und zur Spritze greifen. Sonst stimmten die Erträge nicht.

Um Himmels willen, ...mehr
Nach dem Motto „wachsen oder weichen“ wurde die Landwirtschaft zudem durch eine amtliche Fehlberatung in eine Überspezialisierung getrieben.
Die internationale Spekulation wartet schon auf all die Agrarflächen, die schon sehr bald billig zu ersteigern sein werden, wenn alle diese Fehlentwicklungen in einer Pleitewelle nie gekannten Ausmaßes enden werden.

Gibt es einen Ausweg aus der „Agrarmisere“?

Kann den Landwirten geholfen werden, auch wenn die gesellschaftlichen, politischen, bürokratischen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen keinen Ausweg zu lassen scheinen? Nicht wenige Hürden müssten dazu genommen
werden.

Der einzige Weg, all die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte einigermaßen zu kompensieren, besteht darin, den Verbraucher selber und ganz unmittelbar dazu zu veranlassen, die Landwirtschaft wieder rentabel zu machen und zu entschulden. Dazu müssten Landwirte und
Verbraucher in gegenseitigem Interessen sehr viel enger zusammenarbeiten, um den Zwischenhandel zu verdrängen, Preisdiktate auszuhebeln, die Bürokratie „faktisch“ mehr und mehr zu entmachten, den Banken die Papiergeld – Schulden zurückzahlen sowie Spekulation
und Großkonzerne auszuschalten. Denn diese Faktoren sind die Hürden, die einer Entschuldung entgegenstehen. Keine geringen Widerstände!

Was könnte den Bürger und Verbraucher in dieses Boot holen?

Die meisten Menschen auf der Welt sind „Landlose“, die nie eine Chance haben werden, Grund und Boden zu erwerben oder zumindest zu nutzen. Das gilt auch für Deutschland. Gerade die Bezieher kleiner Einkommen und die Halter kleiner Vermögen tun sich schwer, wert und nachhaltige Anlagen für ihre Spargroschen zu finden, welche die demnächst in das Haus stehende Geldentwertung überstehen können.

Zum anderen sind auch die meisten Bürger selber in der Falle einer Überspezialisierung gelandet, die sie in allen Belangen der Daseinsvorsorge vollkommen abhängig macht. Immer mehr beginnen, die damit verbundenen Gefahren zu erkennen und sinnen nach Abhilfe.

Die Landlosen und auch die meisten Eigenheimbewohner besitzen aber weder die Kompetenz noch die Möglichkeit, sich selber zu ernähren oder ihre Ernährung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zumindest zu sichern.

Auch über die sichere Versorgung mit anderen sog. „Existenzmitteln“ verfügen sie nicht. So ist man auch in der Energieversorgung (in der Regel) von den wenigen Monopolisten abhängig, die Deutschland kontrollieren. Die meisten Wasserwerke sind privatisiert, wobei die Wasserversorgung - weltweit gesehen - schon jetzt in den Händen großer Monopole liegt.

Die meisten Deutschen sind in ihrer Existenzbasis also so gut wie vollkommen abhängig und geraten dabei immer mehr unter die Herrschaft der Konzerne und der Banken. Welche Interessen hat demgegenüber der Landwirt?


lebensmittel direkt vom Bauernhof
Quelle: gemeinschaften.ch

Regionale Selbstversorgung durch Produzenten/Konsumenten-Gemeinschaften

Ernärungs-Suveränität wird in der Krise existentiell. Wie kommen wir zu unseren Lebensmitteln, wenn die Produkte der Grossverteiler ungeniessbar (siehe Codex Alimentarius) werden oder die Versorgung zusammen bricht? Hier zwei Texte die zeigen was hinter den Kulissen geplant wird. Das ganze ist auch ein Paradebeispiel für Desinformation ...mehr
Wer sein Land verpfändet hat und wem es immer mehr droht, von Haus und Hof vertrieben zu werden, möchte auf diesem bleiben und es weiter nutzen. Die Erzeugung qualitativ hochwertiger Lebensmittel in breiter Vielfalt bleibt seine zentrale Kompetenz, auch dann, wenn er
(womöglich mit Hinterlist) gezwungen wurde, sich einseitig zu spezialisieren und abhängig zu machen. Gerade er will dieses wertvollste Wissen bewahren und vielleicht auch an solche weitergeben, die es entweder verloren oder auch noch nie erworben haben. Kommen wir zu
konkreten Strategien und Maßnahmen, Bürger und Landwirte zusammenzuschalten.

Neue Wege der Kooperation zwischen Landwirt und Verbraucher:
  • Betreute Gemüse- und Kräuterbeet – Patenschaften (Beratung und Hilfe bei der Bearbeitung im Rahmen des biologischen Landbaus)
  • Fleisch und Milch für das eigene Klientel ab Hof
  • Brotbacken am Hof
  • Klein-Molkereien (selbständige Herstellung von Milchprodukten mit interessierten Verbrauchern)
  • Gemeinsame Energie-Versorgung (Solarstrom, Biogas, Windenergie, Blockheizkraftwerke auf Holzbasis, Holz)
  • Werk(statt)gemeinschaften (Holz, Metall, anderes, gegenseitige Hilfe und Beratung)

Immer mehr Landwirte werden in letzter Zeit schon von Bürgern angesprochen, ob man nicht ein wenig Land pachten könne, um Gemüse und Kräuter anzubauen. Ein Umdenken hat also schon begonnen. Wer diese Anfragen offen gegenübersteht und sogar Beratung und Hilfe bei
der Bearbeitung anbietet, hat die Zeichen der Zeit verstanden. Der hat auch gleich ein Klientel gewonnen, um vielleicht auch Fleisch und Wurst ab Hof zu vermarkten.