EU-Ratspräsident

Václav Klaus provoziert EU-Eklat

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Autor: bib   
Ratspräsident Klaus stellte die "Nichtexistenz eines europäischen Demos" fest. "Zwischen den Bürgern und den Repräsentanten der EU existiert ein Abstand und das nicht nur im geografischen Sinn, der wesentlich größer ist als innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten", betonte Klaus.

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Der Reformvertrag von Lissabon würde "diesen Defekt nur vergrößern". Klaus kritiserte auch das EU-Parlament: "Wie die Entscheidungen hier getroffen werden, unterscheidet sich sehr von einer klassischen parlamentarischen Demokratie. Denn dort gibt es immer eine Opposition. Doch im EU-Parlament gibt es nur eine Alternative. Jeder der anders denkt, wird sofort als Feind der europäischen Integration angesehen".

Damit provozierte der amtierende EU-Ratspräsident gestern Tumulte im EU-Parlament. Obgleich Klaus sich grundsätzlich zur Mitgliedschaft seines Landes in der EU bekannte, stellte er die politische Union Europas in Frage und forderte eine Rückkehr zu mehr rein nationalen Entscheidungen.

In seiner von Missfallenskundgebungen der Sozialdemokraten und Beifall von der Rechten begleiteten Rede attackierte Klaus heftig die europäische Einigungsbewegung. Zahlreiche Abgeordnete verließen demonstrativ das Plenum. Die Liste der Reaktionen reichte von "verächtlich" seitens der Klaus-Kritiker bis zu "skandalöser Respektlosigkeit der EU-Fanatiker" seitens jener, die die Aussagen des tschechischen Staatschefs verteidigten.

Dem Parlament warf der amtierende EU-Ratspräsident ein "Demokratiedefizit" vor, weil der geografische und persönliche Abstand zwischen den Wählern in den Mitgliedstaaten und den Repräsentanten im Parlament zu groß sei. Der Reformvertrag der EU, den Tschechien noch ratifizieren muss, würde dies nur verschlimmern und die Kluft zwischen den Bürgern und der EU vergrößern. Die Reihen des Plenarsaals hatten sich zu diesem Zeitpunkt schon deutlich gelichtet.


(Originalsprache Tschechisch)



(Originalsprache Tschechisch)

Václav Klaus erläuterte in der anschließenden Pressekonferenz, die absichtlich in der Tschechischen Botschaft abgehalten wurden und nicht in EU-Räumlichkeiten, seine Einwände gegen die EU-Verfassung, dem so genannten Lissabon-Vertrag.

Klaus zeigte sich lediglich überrascht, dass sich die angeblich so demokratischen Parteien ganz undemokratisch weigern Gegenpositionen hinzunehmen, bzw. zumindest anhören oder diskutieren. Dies ist schlechter politischer Stil und eine Verhöhnung von Parlament und Demokratie.

Die Grünen im Parlament reagierten dagegen eher belustigt - und der 5.Jahreszeit verpflichtet. "Wir verleihen ihm den Karnevalsorden für den besten Provokateur des Jahres", sagte der Fraktionsvorsitzende Daniel Cohn-Bendit. Mit dieser Aussage: "In diesem Haus wurde noch nie eine in der Substanz bessere Karnevalsansprache gehalten." stellte sich Cohn-Bendit allerdings selbst als intolerannt ins Abseits - wenn er es zwar auf der lustigen Schiene versuchte, zeigt es ganz ganz klar seine Ignoranz anderer Meinung gegenüber.

Der deutsche EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) sagte nach der Rede von Klaus "Gott sei Dank leben wir in einer europäischen Demokratie, in der jeder seine Meinung äußern kann. In einem Parlament der Vergangenheit hätten sie diese Rede nicht halten können". Auf welches Parlament der "Vergangenheit" Pöttering damit abzielte bleibt dabei jedoch offen.

Das Verhältnis zwischen den beiden gilt ohnehin als angespannt. Der tschechische Präsident hatte im vergangenen Jahr Auszüge eines vertraulichen Gesprächs mit den Fraktionschefs des EU-Parlaments veröffentlicht, bei dem es zu heftigen Wortwechseln zwischen mehreren Abgeordneten und Klaus gekommen war. Pöttering hatte sich damals "sehr erstaunt" über das Vorgehen gezeigt.

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Video der Rede in Originalsprache auf der nächsten Seite


Rede in Originalsprache (Tschechisch)

Václav Klaus, část 1


Václav Klaus, část 2


Václav Klaus, část 3 - závěr



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