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[zurück][ältere Posting][neuere Posting]  Donnerstag, 29 November 2018 | Blog: 4 | No: 42065     feed-image

Was wenn wir Unrecht hatten?

Wenn ich schon gerade am Herumschwadronieren bin, kann ich ja auch kurz erklären, was ich mit "kategorisch besser" meine.
Ich versuche mich ja immer Ideen anzunähern, die ich nicht teile und die ich nicht voll verstanden habe. Ich versuche sie zu leben. Zu gucken, ob und wo das zu Widersprüchen führt.
Wieviel Bewegung meines Weltbildes wirklich nötig wäre, damit ich die Idee teilen könnte.
Eine der Ideen, die ich seit einer Weile so ausprobiere, ist der Sozialkonstruktivismus. Ich habe das wie gesagt noch nicht voll verstanden, sonst müsste ich das ja hier gerade nicht machen, aber ich verstehe das als Gegenthese zur "natürlichen Ordnung", zur "göttlichen Schöpfung". Was, wenn wir uns das alles nur ausgedacht haben. Wenn es alles bloß verschiedene Perspektiven sind. Was, wenn man nicht daran glaubt, dass die Evolution grundsätzlich gute oder erfolgreiche oder sinnvolle Dinge produziert, sondern eine Tradition auch einfach etwas sein kann, was sich irgendein Fuzzy halt irgendwann aus dem Arsch gezogen hat, und wir fahren da nicht drauf ab, weil das gut ist, sondern wir haben uns da bloß dran gewöhnt. Die Argumente, die wir dafür gefunden haben, die sind eigentlich total schwach, aber wir merken es nicht, weil man uns eh nicht überzeugen muss, wir sind ja schon überzeugt. Weil wir eh schon an die Tradition geglaubt haben und an sie gewöhnt waren. Das senkt die Schwelle für überzeugende Argumente drastisch!
Das 3. Reich führt dann bei mir zu so Gedankengängen wie: Fast alle haben mitgemacht. Das heißt: "Ist Mehrheitsmeinung" ist kein Argument für oder gegen irgendwas.
Und das heißt eben auch, dass das Bewerten der Welt viel schwieriger wird. Ich versuche ja, verschiedene Positionen als gleichwertig anzusehen, auch wenn ich sie nicht teile oder sogar verabscheue. Außer ich finde echte Argumente, wie das konkret schadet. Dann nicht. Aber erstens muss das konkreter Schaden und nicht Konjunktiv sein. Und zweitens ist ein schwarfes Schwert, das trifft dann auch diverse Dinge von "meiner Seite".
Daher bin ich dazu übergegangen, Leute und Gruppen nicht nach ihren Ideen zu bewerten, sondern nach ihren Methoden. Nationalismus z.B. ist dann plötzlich nicht mehr per se böse. Wenn jemand im Namen des Nationalismus Kinder an der Grenze von ihren Eltern trennt, ist das natürlich immer noch böse. Aber das ist ja nicht die Idee, das ist die Methode, die Umsetzung.
Und das meine ich mit kategorisch besser. Nur weil ich mir gerade echt sicher bin, dass diese eine Sache wahr oder gut ist, die ich schon immer für wahr oder gut hielt, heißt eben überhaupt nicht, dass die wirklich wahr oder gut ist. In den meisten Fällen kann das gar nicht beurteilen, ob etwas wahr oder gut ist. Was ich aber auf jeden Fall beurteilen kann, ist ob eine Methode gut ist. Eine Handlung.
Das ist der Grund, wieso ich so ein Problem mit Antifa und linken Internet-Prangern habe. Was wenn wir Unrecht hatten? Wir merken in zehn Jahren, dass Kapitalismus und Nationalismus doch die Antwort sind. Halte ich für sehr unwahrscheinlich, aber kann ich nicht ausschließen. Dann will ich nicht einer von denen gewesen sein, die zur Kapitalismusbekämpfung Waterboarding gemacht haben. Oder generell Gewalt ausgeübt. Das soll jetzt nicht heißen, dass die Antifa waterboarding macht. Jedenfalls nicht dass ich wüsste. Bloß eine Illustration. :-)
Mein größtes aktuelles Problem ist der Klimawandel. Da stoße ich auf einen Widerspruch. Ich bin mir sicher, dass der Klimawandel stattfindet und menschengemacht ist. Aber ich könnte mich irren. Laut obiger Überlegungen müsste ich Leute machen lassen, die Kohle verbrennen, weil ich mir nicht wirklich sicher bin. Aber da fange ich dann an, potentielle Risiken gegeneinander aufzuwägen. Das fühlt sich wie ein Widerspruch an. Eine Auflösung habe ich nicht.
Aber den Anspruch, dass meine Seite sich in ihren Methoden kategorisch von der anderen Seite unterscheiden muss, daran halte ich fest. Das ist mir wichtig.
Viele andere Leute haben aufgegeben, Methoden zu bewerten. Der Zweck heiligt die Mittel. Die beschränken sich dann darauf, anderen Inkonsistenzen nachzuweisen. Davon halte ich nichts. Inkonsistenzen sind gut. Die zeigen, dass jemand seine Meinung ändern kann, wenn ihm andere Fakten bekannt werden.
Oder die erzählen sich im Kreis, wie verderbt die andere Seite ist. Das ist aus meiner Sicht ein Bonding-Ritual und hat nichts mit Argumenten oder Wahrheitsfindung zu tun. Wir hier sind eh schon überzeugt, dass die da drüber schlechter als wir hier sind. Sonst wären wir da drüben bei denen und nicht hier.
Ich finde das auch gut, wenn Niggemeier Rechten Lügen nachweist. Aber dann bitte auch bei uns. Sonst ist das kein Argument sondern Agitation. Den Rechten kann ich ihre Lügen und Verdrehungen nur vorwerfen, wenn wir nicht lügen und verdrehen. Und wir lügen und verdrehen aus meiner Sicht auch die ganze Zeit. Aber keiner sagt was, weil das ja unsere Seite ist. Eine Lüge für die gute Sache ist immer noch eine Lüge. Und die Rechten lügen auch für die gute Sache. Das könnt ihr mir glauben. Die sind überzeugt davon, dass sie für die gute Sache kämpfen.

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