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[zurück][ältere Posting][neuere Posting]  Dienstag, 22 November 2016 | Blog: 1 | No: 37130     feed-image

Hmm,

diese Geschichte hier rum, wo ein Programmierer mal sein Gewissen erleichtert

Vor ein paar Tagen ging diese Geschichte hier rum, wo ein Programmierer mal sein Gewissen erleichtert. Er erzählt, dass er in seiner "ich war jung, ich brauchte das Geld"-Phase für eine Pharmafirma über Bande ein Medikament an junge Frauen gepusht hat. Direkte Werbung war verboten, also haben sie eine "unabhängige" "neutrale" Beratungs-Webseite gemacht, mit so einem Fragebogen, und egal was du da ankreuzt, am Ende kommt immer raus, dass du dieses Medikament brauchst. Und er hat erst sein Gewissen entdeckt, als seine Schwester anfangen sollte, dieses Medikament zu nehmen, und vorher eine andere junge Frau anscheinend von diesem Medikament in den Selbstmord getrieben wurde.
Dieser Text macht gerade die große Runde und alle möglichen Programmierer lüften da mal ihr Gewissen.
Und wisst ihr was? Ich habe nie etwas gemacht, das mir später peinlich oder unangenehm gewesen sein müsste. Ich war auch jung, ich brauchte auch das Geld. Aber die Grenze habe ich nie gekreuzt. Und ich habe mir über die Jahre einige Male einige Male Augenrollen abholen müssen, und so ein "naja ist ja dein Leben, entscheide du mal wie du meinst *abwink*".
Ich habe so eine moralisch klare Linie auch immer anderen Menschen empfohlen, und da kommt dann häufig so ein "na du musst ja krass privilegiert sein, dass du dir leisten kannst, Aufträge nicht anzunehmen". Das kann schon sein. Man wird immer Leute finden können, die weniger privilegiert sind als ich. Aber hatte ich hier immer ein leichtes Leben, nie Sorgen, die Heizung oder Lebensmittel nächsten Monat noch zahlen zu können? Nein. Ich habe nie hungern müssen, auch wenn es ein paar Mal so aussah, als könnte es knapp werden. Ich glaube, diese Dichotomie von "jeden Scheißjob annehmen oder sonst hungern müssen" gibt es so nicht. Man kann auch sein Gewissen behalten und trotzdem nicht kriminell werden oder moralisch verwerfliche Dinge tun.
Nicht nur kann man auch überleben, wenn man Scheißjobs ablehnt. Die Leute, die die Scheißjobs "notgedrungen" annehmen, denen geht es am Ende auch nicht besser. Ob sich ein Leben "gut" anfühlt oder nicht, ob man mit seinen Umständen zufrieden ist, das hängt ja auch nicht nur davon ab, wieviel Geld man zur Verfügung hat, sondern ob man sich an Luxus gewöhnt hat, den man sich jetzt nicht mehr leisten kann. Das ist meiner Erfahrung nach der größte Quell an Unzufriedenheit auf diesem Planeten. Wenn man das Gefühl hat, es ging einem schon mal besser, und jetzt muss man sich einschränken. Daher ist meiner Ansicht nach das Geheimnis zu einem guten Leben, dass man sich keinen Luxus leistet, außer man weiß wirklich sicher, dass man dieses Niveau auch in Zukunft wird halten können. Damit bin ich immer gut gefahren.
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Druck, Scheißjobs anzunehmen, kommt im Allgemeinen nicht vom Leben, sondern von euch selbst. Man kann so gut wie immer Nein sagen. Die Idee, man muss das jetzt machen, sonst ist man morgen pleite, das ist bloß eine Drohkulisse, die man aus Rechtfertigungsdruck sich selbst gegenüber aufbaut. Lernt, das zu ignorieren.

Update: Hmm, das war jetzt vielleicht zu krass formuliert. Es gibt sicher Einzelfälle, in denen man wirklich mit dem Rücken zur Wand steht, und von irgendwo dringend Geld braucht. So "entweder dass oder ich muss ne Bank ausrauben, um die Not-OP meiner Tochter bezahlen zu können". Wer in so einer Situation ist, ist für unmoralische Angebote zugänglicher, klar. Auf der anderen Seite kommen solche Situationen meiner Beobachtung nach im Allgemeinen daher, dass man über seine Verhältnisse gelebt hat, dass man falsche Entscheidungen getroffen hat, dass man finanzielle Verpflichtungen auf sich genommen hat, die man nicht erfüllen konnte. Damit wären wir wieder bei meinem Punkt von weiter oben, dass man sich nur Luxus gönnen sollte, wenn man ganz sicher ist, ihn sich auch langfristig leisten zu können. Und mit "sicher" meine ich jetzt nicht "das wird schon werden, ich bin ja so genial und finde schon nen Job".




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