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07.09.2013 - Demo „Freiheit statt Angst“ in Berlin

Über 20.000 gegen Überwachungswahn

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Autor: bib   
Am Samstag, 07.09.2013, protestierten über 20.000 Menschen in Berlin friedlich gegen die Schnüffelpraktiken der NSA, gegen die andauernde Verletzung ihrer Privatsphäre und gegen die beharrliche Untätigkeit der Regierung Merkel.

“Die Demonstration ist ein Riesenerfolg. Wir sind vier mal so viele wie bei der Demo 2011! Die Bürgerinnen und Bürger gehen für die Verteidigung von Grundrechten und Demokratie auf die Straße”, freute sich Moderator padeluun vom Demobündnis "Freiheit statt Angst".


Jacob Applebaum, US-amerikanischer IT-Sicherheitsspezialist & Internetaktevist
“Ich, als Bürger der USA, entschuldige mich für meine Arschloch-Regierung und meinen beschissenen Präsidenten” sagte der IT-Sicherheitsexperte und Internetaktivist Jacob Applebaum in seiner bemerkenswerten Rede zu den Demoteilnehmern auf dem Berliner Alexanderplatz.

Applebaum erklärte weiter, dass die NSA alle amerikanischen Bürger zum Feind erklärt hat. Er begründete dies unter anderem mit der zynischen Namensgebung von PRISM-Programmodulen, die zum Teil nach militärischen Schlachten aus dem amerikanischen Bürgerkrieg benannt sind. Alle nichtamerikanischen Bürger sind für die NSA darüber hinaus nur Freiwild, so Applebaum. Der IT-Sicherheitsexperte erwähnte zudem, dass diverse Computer-Sicherheitstechnologien mit Absicht schlecht programmiert wurden, um damit Computerausspähungen leichter für NSA & Co. zu ermöglichen.

“Wir brauchen Verschlüsselungssoftware, die auch wirklich jeder versteht und anwenden kann. Eine starke Verschlüsselung ist der Anfang des Widerstands gegen die neue Tyrannei der heutigen Zeit”, so der US-amerikanische Bürgerrechtsaktivist. Applebaum schloss seine Rede mit der Aufforderung an die deutschen Wähler, die verlogenen Politiker aus den Parlamenten zu "kicken".
"Nur eine Diktatur braucht Zensur",
"Anonymität ist kein Verbrechen",
"Filmt Merkel beim Kacken" oder
"Pressefreiheit braucht Informantenschutz"

- Der Protest war laut, kreativ und fantasievoll - sowohl auf den Transparenten, als auch durch die Kostüme oder verschiedenen Aktionen.

Auch die Redner auf der Bühne stimmten kämpferische Töne an. “Wir sind heute hier, weil wir nicht hinnehmen, so dreist belogen zu werden. Weil wir nicht hinnehmen, dass die Geheimdienste alle bespitzeln. Weil wir nicht hinnehmen, dass das Internet nur noch zum Überwachen und Geldverdienen da ist”, brachte es die Netzaktivistin und Bloggerin Anne Roth auf den Punkt.

Rena Tangens von der Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage betonte, dass auch in Deutschland überwacht wird und alle Bürgerinnen und Bürger betroffen sind. Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, Bestandsdatenauskunft und der unverhältnismäßige Einsatz von Funkzellenabfragen sind nur einige Beispiele von demokratiefeindlichen Überwachungsmaßnahmen, die abgeschafft werden müssen.

“Wir brauchen dazu eine Behörde, die die Überwachung durch Geheimdienste vollständig aufklärt. Man könnte sie auch Gauck-Behörde 2.0 nennen. Wir würden uns freuen, wenn unser Bundespräsident als jemand, der Überwachung durch die Stasi aus eigener Erfahrung kennt, nicht nur durch sein Schweigen auffallen würde”, ergänzt Oliver Moldenhauer von der Organisation SumOfUs.org. Darüber hinaus fordert er, dass Abkommen, die eine umfassende Erfassung, Speicherung und Weitergabe persönlicher Daten von Bürgern erlauben, sofort aufgekündigt werden. Dazu gehören auch die Abkommen zur Weitergabe von Bankdaten, zu Fluggastdaten und zur Datenverabeitung in den USA (Safe Harbour). Weiterhin müssten dringend Technologien zur Verschlüsselung als freie Software gefördert werden.

“Die Freiheit muss derzeit nicht am Hindukusch verdeitigt werden. Die Freiheit müssen wir alle gemeinsam hier verteidigen! Gegen die Schlapphüte von Pullach und Berlin.”
Zitat: Christoph Bautz, Campact, 07.09.2013, Berlin, Deutschland

Parker Higgins, Aktivist der Electronic Frontier Foundation (USA, warnte eindringlich vor den Folgen lückenloser Überwachung für die menschliche Würde: “Wir müssen uns das System wieder zurückerobern. Dafür brauchen wir informierte Bürger und wir brauchen Regierungen, die sich an die Menschenrechte halten. Ich schäme mich für das, was mein Land in meinem Namen tut, aber heute fühle ich mich von meinen wirklichen Landsleuten umgeben. Es sind Menschen, die an die Freiheit glauben und aufstehen gegen die Angst!”

Freiheit statt Angst, 07.09.2013, Berlin, DE
Aufzeichnung der gesamten Demo von www.CastorTV.de


Michael Rediske von Reporter ohne Grenzen betonte die Gefährdung der Pressefreiheit, die mit der Überwachung und dem Ausspähen von Journalisten in aller Welt über das Internet tägliche Realität ist. “Sie werden für Blog-Einträge oder Twitter-Posts verhaftet, ihre Emails werden überwacht, Kontakte ausgeforscht, ihre Computer mit Überwachungssoftware infiziert.” Durch den NSA-Skandal sei nun klar belegt, dass auch deutsche Journalisten regelmäßig ausgeforscht werden. Diese Überwachung in Deutschland gefährdet nicht nur die eigenen Freiheiten, sondern macht die Bundesrepublik auch unglaubwürdig als Verbündeter von Bewegungen in anderen Ländern. Rediske wörtlich: “Wir dürfen den Diktatoren nicht den Gefallen tun, ihnen ähnlich zu werden.”

“Wir könnten Snowden aufnehmen, wir müssten es nur wollen”, sagt Christian Humborg von Transparency International. Er zitierte aus Snowdens Reaktion auf den Erhalt des Whistleblower-Preises: “Regierungen müssen für ihre Entscheidungen Rechenschaft ablegen. Die Entscheidung, welche Rechte und Freiheiten die Menschen haben, muss öffentlich gefällt werden und nicht von den Regierungen im Geheimen. Die Wahrheit über die Mächtigen auszusprechen, hat viele Whistleblower ihre Freiheit, ihre Familie oder ihr Land gekostet.”

Zum Erfolg der Großdemo trugen neben den prägnanten Rednern auch die musikalischen Beiträge der Sängerin Dota (Kleingeldprinzessin) sowie Max Prosa und den eigens aus Wien angereisten Musikern von "Banda Pacheco" bei, die alle zugunsten der Demonstration auf ihre Gagen verzichtet haben.

Die Demonstration "Freiheit statt Angst" endete mit einem Aufruf zu weiteren Aktionen
Die Veranstalter zogen ein durchweg positives Fazit. Der Erfolg war klar zu sehen und zu hören. Die Menschen gehen auf die Straße und kämpfen für den Schutz ihrer Bürgerrechte. Die Politik kann dieses Signal nicht länger ignorieren, sagte Kai-Uwe Steffens vom Demobündnis und fügte hinzu: “Wir werden keine Ruhe mehr geben und auch nach der Bundestagswahl für Freiheit, Bürgerrechte und Demokratie streiten.”

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