Logo

Ein Euro Jobs und andere Zustände

Warum?

  • Drucken
(0 Bewertungen, Mittelwert: 0 von 5)
Autor: Gert Flegelskamp   
"Aggressionsstaus beseitigen in Verbindung mit Informationen, welche die Menschen wachrütteln" antwortete Gert Flegelskamp auf die Frage, was ihn antreibt seine Webseite zu betreiben.

Gert Flegelskamp:

Und ich versuche mit meinen Beiträgen, die Menschen aufzurütteln, sich von der Meinungsdiktatur der Presse- und TV-Organe zu befreien, die Phrasen der Politiker als solche zu erkennen und damit eine wirkliche eigene Meinung zu entwickeln Ich will nicht, dass meine Meinung übernommen wird, aber von mir gelieferte überprüfbare Fakten und Hintergründe sollen helfen, sich ein eigenes Meinungsbild zu schaffen.

Und ich versuche auch, Verknüpfungen aufzudecken, denn so, wie eine Blume noch keinen Sommer macht, macht eine Pressemeldung noch keine vollständige Information über ein Thema aus.

Den nachfolgenden Beitrag habe ich (in etwa) einer Leserin auf (mehrere) Anfragen hin gesendet, finde aber, dass er auch als generelle Antwort für diejenigen gelten kann, denen ich nicht geantwortet habe (weil ich schlecht drauf oder anderweitig beschäftigt war).

Nehmen wir als Beispiel das gerade aktuelle Thema: Ein Euro Jobs. Der Bundesrechnungshof kritisiert die Vergabe von Ein Euro Jobs. Er ist nicht der einzige Kritiker. Auch das IAB (Forschungszentrum der BA) hat das schon gemacht und die Kritik des Rechnungshofes ist inzwischen schon fast ein Ritual, denn die Kritik kommt "alle Jahre wieder".

Nun nehmen Sie die gesetzlichen Bestimmungen, dass Arbeitsgelegenheiten ohne Entgeltvariante, so die offizielle Bezeichnung für Ein Euro Jobs, zusätzlich und gemeinnützig sein MÜSSEN und keine regulären Arbeitsplätze verdrängen dürfen. Das Entgelt gilt dabei nicht als Lohn, sondern als pauschale Abgeltung für die dem Ein Euro Jobber evtl. entstehenden Kosten (z. B. Fahrtkosten), die er nicht erstattet bekommt.

Nun kommt die Argumentation der Politik und der BA bzw. der ARGEn. Danach dienen die Ein Euro Jobs dazu, Menschen, die "von der Arbeit entwöhnt sind", wieder in einen Rhythmus zu bringen, also am Morgen aufzustehen und dann einer Arbeit nachzugehen.

Dazu meine Meinung.

Die Fallmanager der ARGEn sind
  1. Nicht die Erziehungsberechtigten Arbeitsloser
  2. Nicht ausreichend ausgebildet, zu beurteilen, ob die Maßnahmen zur Eingewöhnung erforderlich sind.
  3. Ihre Aufgabe ist die Vermittlung Arbeitsloser in eine Arbeit, die den Arbeitslosen von Transferleistungen unabhängig macht.

Die Ausbildung der Fallmanager ist mehr als mangelhaft. Ehemalige Friedhofsgärtner oder Telekom-Mitarbeiter, die zur Bearbeitung aufgrund von Mangel an ausgebildetem Personal als Fallmanager eingesetzt wurden und auch die Mitarbeiter in den befristeten Arbeitsplätzen bei den ARGEn, wurden in viel zu kurzen Crash-Kursen (wenn überhaupt) auf ihre Aufgabe vorbereitet. Die komplexe Gesetzeslage in den Sozialgesetzbüchern I, II, III, VI und XII behandelt werden, vermögen sie nicht einmal ansatzweise zu beherrschen. Hinzu kommt der Mangel an Wissen über die Bedürfnisse in der freien Wirtschaft.

Über den bei manchen Fallmanagen oder Fallmanagerinnen existierenden Machtkomplex möchte ich erst gar nicht reden.

Dann kommt die Praxis. Schon Jahre vor Hartz IV haben die Kommunen kommunale Arbeiter abgeschafft und triviale Arbeiten an private Betreiber vergeben (Beispiel Landschaftspflege, Laubbeseitigung im Herbst usw.). Dann kam Hartz IV. Kurze Zeit darauf haben die Kommunen Firmen gegründet, die Ein Euro Jobber beschäftigen, u. a. mit den vorgenannten Tätigkeiten. Sie bekommen für die Beschäftigung des Ein Euro Jobbers einen Zuschuss von rund 500 €. Davon müssen Sie den Ein Euro Jobber bezahlen, macht ca. 130 €. Sie haben also einen Arbeitslosen, der Arbeiten verrichtet, für die sie früher zahlen mussten. Durch den Zuschuss ist der Arbeitslose nun nicht nur ein kostenloser "Sklave", sondern sie bekommen zusätzliches Geld dafür. Effekt für die BA: Ein Arbeitsloser weniger in der Statistik, Effekt für die Kommune: Mehr Geld in der Kasse.


Effekt für den Ein Euro Jobber: Er muss den Job machen, will er nicht sanktioniert werden, bekommt keinen Lohn, sondern nur eine Abgeltungspauschale, hat keinerlei Arbeitnehmerrechte, keinen Urlaubsanspruch, keinen Anspruch auf bezahlte Feiertage.

Er ist ein Sklave. Mancher macht das sogar gerne, weil er damit ein wenig mehr Geld hat, dann ist er ein glücklicher Sklave.


Nun das Resümee. Die Vermittlung von Ein Euro Jobbern in eine reguläre Beschäftigung ist nahezu Null. Nehmen wir mal die offiziellen Zahlen, obwohl jeder weiß, dass die getürkt sind. Danach haben wir 3 Millionen Arbeitslose, aber nur 800.000 freie Stellen. Nehmen wir weiterhin an, von den 3 Millionen wären 20% so der Arbeit "entwöhnt", dass man sie erst wieder daran gewöhnen muss. Dann bleiben immer noch 2,4 Millionen Arbeitslose, die eine erfolgreiche Vermittlung zulassen. Also müsste der Schwerpunkt der BA bzw. ARGEn doch zunächst darin liegen, dass man die freien Stellen schnellstmöglich besetzt. Doch das geschieht nicht. Die BA bzw. die ARGEn sind ebenso ineffizient, wie es früher das Arbeitsamt war. Erinnern Sie sich an die Zeit, als Jagoda Vorstand des Arbeitsamtes war und bekannt wurde, dass das Arbeitsamt getürkte Zahlen bei der Arbeitsvermittlung herausgab? Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Kommen wir zurück zum Ein Euro Jobber. Rechtlich wird gefordert, dass die Arbeiten zusätzlich und gemeinnützig sein müssen und keine regulären Arbeiten sein dürfen, um nicht in Konkurrenz zur normalen Arbeit zu stehen. Sehen wir mal davon ab, dass längst bekannt ist, dass die Praxis ganz anders aussieht und betrachten Sie die rein gesetzlichen Vorgaben. Ein Arbeitsloser wird in einen Ein Euro Job gesteckt, damit er sich wieder ans arbeiten gewöhnt. Alleine dieser Anspruch ist schon eine Verletzung der Menschenwürde. Weigert er sich, wird er sanktioniert, womit die Vergabe zum Zwang wird (Verstoß gegen Art. 12 GG, gegen das Ilo-Abkommen, gegen die EU-Charta und gegen die Menschenrechte).

Er macht also diese, eigentlich sinnentleerte Tätigkeit, die, weil zusätzlich, keine Entsprechung auf dem regulären Arbeitsmarkt haben darf. Danach bekommt er wieder Hartz IV, ist wieder "normal arbeitslos", also ohne Ein Euro Job. Damit verfällt er wieder in den alten Trott, den ihm ja der Ein Euro Job austreiben sollte. Er/sie wird wieder von der Arbeit "entwöhnt", denn einen festen Job hat er dadurch ja nicht bekommen. Betrachtet man all die Zusammenhänge, müsste klar werden, dass die politische Argumentation nur dazu dient, die Bevölkerung über den Sinn und Zweck dieser Jobs zu täuschen, damit die Menschen zu spalten, weil ein großer Teil glaubt, mit Ein Euro Jobs würden Steuergelder gespart und "Faule" in Arbeit gebracht.

Dass die BA für die 280.000 Ein Euro Jobber 1,7 Milliarden ausgegeben hat, wovon die Ein Euro Jobber nur rund 437 Millionen bekamen, der Rest (immerhin ca. 1,264 Milliarden) aber in den Kommunen und in den karikativen Einrichtungen "versandete", ist den Leuten nicht bewusst.

Sehen Sie, darum betreibe ich meine Seite. Ich will das bewusst machen. Die Leute sollen meine Angaben überprüfen und sich daraus ein eigenes Urteil bilden.

Ich weiß, ich erreiche nur einen verschwindend kleinen Bruchteil derer, die ich erreichen möchte. Und davon ist wiederum nur ein kleiner Teil, den es wirklich nachdenklich macht und der/die nicht mehr jede Pressemeldung oder politische Aussage völlig undifferenziert schluckt. Aber da halte ich es mit der Bibel: "Ein reuiger Sünder …"


Und manchmal schalte ich einfach ab. Dann will ich mich nicht mit diesen Themen befassen, nehme quasi eine Auszeit. Darunter müssen auch Leute leiden, die mir schreiben und denen ich evtl. eine Antwort schuldig bleibe.

Ich betone immer, dass man im Internet alle Informationen finden kann, die man sucht. Das ist ähnlich wie in einem Buchladen. Man muss zunächst ein Thema haben, dann schauen, was es zu dem Thema gibt, es nach Qualität selektieren und sich dann entscheiden. Das kann man niemandem abnehmen.


Gert Flegelskamp

Banner1_465x68