Jetzt haben wir sie im Sack:

ESM-Vertrag in Brüssel verabschiedet

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Autor: Gert Flegelskamp   
Nun ist es soweit. Ein Jahr früher als geplant soll der Rettungsschirm für den Euro in Form des ESM-Vertrages zum 1. Juli in Kraft treten. So wie ich das sehe, versucht man erst gar nicht mehr, den Schein von Demokratie aufrecht zu erhalten. Stattdessen werden geschickte Inszenierungen in der Presse verbreitet, aber darauf komme ich noch.

Ein Foto in der FAZ finde ich ausgesprochen gelungen. Lediglich der nebenstehende Text würde von mir ein wenig anders formuliert. Ich habe den Text hier kopiert und die Passage durchgestrichen, die ich durch meinem Text (fett, kursiv und unterstrichen) ersetzt habe:

Berechtigter Optimismus:Jetzt haben wir sie im Sack: Eurogruppenchef Juncker klatscht den - allerdings vom Euro nicht direkt betroffenen - englischen Finanzminister George Osborne (l.) schon vor der Sitzung ab.

Der eigentliche Artikel in der FAZ zu diesem Foto ist wohl nicht mehr als eine lapidare Wiedergabe einer Meldung einer Presseagentur.

Eine Aussage des im SPIEGEL erschienenen Beitrags Christine Lagarde: Madame Oui liest Merkel die Leviten zeigt, wie tückisch die Vorgehensweise sein soll. Im Gegensatz zu dem ursprünglichen ESM-Vertragsentwurf, der mit einem Kapital von 700 Milliarden in den nächsten 5 Jahren ausgestattet werden soll, will man nun die im zeitlich begrenzten EFSF-Vertrag bereits vom Bundestag bewilligte Summe von 500 Milliarden als Obergrenze festlegen und im März noch einmal über die "maximale Höhe" reden. Dazu der kleine Absatz im SPIEGEL:

Der internationale Druck bringt Merkel in eine schwierige Zwickmühle: Selbst wenn sie wollte - eine weitere Aufstockung des ESM würde ein entsprechendes Votum des Bundestags erfordern. Ein riskantes Unterfangen, denn bereits bei der letzten Rettungsfonds-Abstimmung war die schwarz-gelbe Mehrheit hauchdünn.

Merkel will somit den ESM-Vertrag in Deutschland in regionales Recht übernehmen, ohne dabei das Parlament einbinden zu müssen. Das hat ja schließlich dem EFSF und der Höhe der dort definierten "Rettungsgelder" in Höhe von 500 Milliarden bereits zugestimmt und kann damit nach Merkels und Schäubles Meinung dieses Mal außen vor gelassen werden. Wie sagte Schäuble noch auf dem Bankster-Kongress: Deutschland war seit 1945 zu keiner Zeit ein souveräner Staat. Er hätte hinzufügen können : Deutschland war seit 1945 zu keiner Zeit ein souveräner Staat und zu keiner Zeit eine Demokratie!

Ich finde, alle Abgeordneten sollten nun mit Mails regelrecht "bombardiert" werden, dass sie dieses ESM-Vertragswerk verhindern. Damit einmal mehr verstanden wird, was dieser Vertrag bedeutet, ein Beitrag in der Österreichischen Zeitschrift Die Presse. Sie schreibt im zweiten Absatz:

Die Stimmung unter EU-Kritikern ist aufgeladen. Im Internet wird seit Wochen mit Halbwahrheiten vor dem ESM-Vertrag gewarnt. Es heißt, er schaffe einen neuen Moloch, der ohne jede Kontrolle und mit umfassender Immunität ausgestattet nach Belieben Gelder der Mitgliedstaaten absaugen kann. Nachfolgend befragt "Die Presse" einen EU-Rechtsexperten zu 8 gravierenden Punkten, von denen ich einige herausgreifen möchte.

Die Presse, Frage 1:
Wie viel Geld wird der ESM zur Verfügung haben? Was zahlt Österreich ein?
Antwort Rechtsexperte:
Der ESM soll mit einem Grundkapital von 700 Mrd. Euro ausgestattet werden. 80 Milliarden Euro werden direkt eingezahlt, der Rest ist abrufbares Kapital. Österreichs Anteil beträgt insgesamt 19,5 Mrd. Euro, von denen aber vorerst nur 2,2 Mrd. eingezahlt werden müssen. Im Vergleich: Am IWF trägt Österreich einen Anteil von 1,82 Mrd. Euro. Der Gouverneursrat des ESM kann die Höhe des Grundkapitals von sich aus ändern. Allerdings kommt dies laut dem Europarechtler Obwexer einer Vertragsänderung gleich. Der österreichische Nationalrat kann jede solche Erhöhung bei der Ratifizierung blockieren.

Meine Aussage dazu
Wie bereits angemerkt, soll die (vorläufige) Höhe mit der des EFSF übereinstimmen, also 200 Milliarden weniger, als im ursprüngliche Vertragsentwurf vorgesehen war. Allerdings das Basiskapital von 80 Milliarden ist geblieben, welches mit der ersten Tranche (Deutschland 22 Milliarden) zu zahlen wäre. Weil der Vertrag nun vorgezogen wird, wird auch die erste Tranche vermutlich kurz nach Start des Vertrages im Juli fällig, statt wie zunächst vorgesehen im Januar 2013.

Ich vermute, dass Merkel und Schäuble das Ganze noch vor März verabschieden wollen, denn im März soll ja über die Höhe noch einmal diskutiert und entschieden werden. Hätte das Duo Merkel und Schäuble den Vertrag bis dahin am Parlament vorbei ratifiziert, könnt bereits im März die zuvor definierte Hohe von 700 Milliarden (oder sogar noch höher) wieder bestimmt werden. Ansonsten hat der Gouverneursrat des ESM die Möglichkeit einer Aufstockung und aus meiner Sicht ist die Aussage des EU-Rechtlers schlicht und einfach falsch, denn das wäre keine Vertragsänderung, wie er behauptet, weil diese Aufstockung lt. Art. 10 des ESM-Vertrages bereits Bestandteil des Vertrages ist.

Die Presse, Frage 2:
Haben die Mitgliedstaaten ausreichend Mitsprache?


Antwort Rechtsexperte:
Ja. Der ESM mit Sitz in Luxemburg wird von einem Gouverneursrat geleitet, in dem jedes Teilnehmerland durch ein Regierungsmitglied vertreten ist. Das gewichtete Stimmrecht entspricht dem Anteil des jeweiligen Landes am Grundkapital. Für die Erhöhung des Grundkapitals ist ein "einvernehmlicher" Beschluss notwendig (keine Gegenstimmen, aber Enthaltungen sind möglich).

Meine Meinung dazu
In einem weiteren Bericht des SPIEGEL ist zu lesen:

Anders als beim EFSF sollen kleine Länder wie die Slowakei künftige Entscheidungen beim ESM nicht länger gefährden können. Denn diese sollen nicht mehr einstimmig, sondern mit einer Mehrheit von 85 Prozent gefällt werden können. Der ESM werde "der Grundpfeiler in der Brandmauer gegen die Schuldenkrise", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn.

Es ist natürlich ungeheuer beruhigend, dass im Gouverneursrat von jedem Land ein Mitglied sitzt. Wie sehr sich die abgeorderten Politiker für die Interessen ihres Landes bzw. dessen jeweiliger Bevölkerung einsetzen, beweisen uns die Kommissare der EU am laufenden Band. Nicht zu vergessen, dass sie, zusammen mit dem Europäischen Rat die Brandstifter dessen sind, was gegen den Willen der meisten Bevölkerungen in der EU beschlossen wird (aktuelles Beispiel ACTA). Das mit dem einvernehmlichen Beschluss ist also schon jetzt Geschichte.

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Foto:DPA