Kommentar von Gert Flegelskamp

Das Urteil des BVerfG zur Euro-Rettung

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Autor: Gert Flegelskamp   
Erwartungsgemäß hat das BVerfG die Klage einiger Professoren gegen die Maßnahmen der Euro-Rettung und der Finanzhilfen für Griechenland abgeschmettert.

ERKLÄRUNGEN ZUR SCHLUSSAKTE DER REGIERUNGSKONFERENZ, DIE DEN AM 13. DEZEMBER 2007 UNTERZEICHNETEN VERTRAG VON LISSABON ANGENOMMEN HAT

17. Erklärung zum Vorrang

Die Konferenz weist darauf hin, dass die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben.

Darüber hinaus hat die Konferenz beschlossen, dass das Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates zum Vorrang in der Fassung des Dokuments 11197/07 (JUR 260) dieser Schlussakte beigefügt wird:

"Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 22. Juni 2007

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Vorrang des EG-Rechts einer der Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechts. Dem Gerichtshof zufolge ergibt sich dieser Grundsatz aus der Besonderheit der Europäischen Gemeinschaft. Zum Zeitpunkt des ersten Urteils im Rahmen dieser ständigen Rechtsprechung (Rechtssache 6/64, Costa gegen ENEL, 15. Juli 1964 1) war dieser Vorrang im Vertrag nicht erwähnt. Dies ist auch heute noch der Fall. Die Tatsache, dass der Grundsatz dieses Vorrangs nicht in den künftigen Vertrag aufgenommen wird, ändert nichts an seiner Existenz und an der bestehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs."


Fußnote: "Aus (...) folgt, dass dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden soll."

Wieso erfahrungsgemäß? Aus meiner Sicht ist das BVerfG nicht mehr die höchste Gerichtsinstanz in Deutschland, denn bei Recht muss zwischen lokalem (deutschen) Recht und EU-Recht unterschieden werden. Betrifft ein Rechtsstreit EU-Recht, muss die deutsche Gerichtsbarkeit ein Urteil vor der Verkündung dem EuGH (Europäischer Gerichtshof) vorgelegt werden, der dann entscheidet, ob das Urteil in dieser Form verkündet werden darf. Was EU-Recht ist, das entscheidet der EuGH alleine und hat sich selbst in der Erklärung 17 (siehe grauer Kasten links) hierfür die Ermächtigung erteilt.

Die "Euro-Rettung" ist aber eindeutig eine Angelegenheit der EU und damit fehlte dem BVerfG die Spruch-kompetenz. Offen bleibt die Frage, ob die klagenden Professoren nun diesem Urteil widersprechen und die Klage an den EuGH weiterleiten. Der deutsche Rechtsrahmen ist ja mit dem Urteil des BVerfG ausgeschöpft, nach meiner Kenntnis die Voraussetzung für eine Klage vor dem EuGH.

Das Hamburger Abendblatt schreibt im letzten Absatz: "Nachbesserungen fordert das Gericht allerdings bei der Einbeziehung des Parlaments in die Rettungsmaßnahmen. Es reiche nicht aus, dass der Bundestag die Rahmenbedingungen beschließe und die Regierung dann bei der konkreten Ausgestaltung nur noch den Haushaltsausschuss informiere. Vielmehr dürften Hilfen künftig nur dann gewährt werden, wenn der Ausschuss vorher zugestimmt habe."

Diesen Ausspruch des Gerichts muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Im ersten Anschein wirkt das als habe das Gericht die Rechte des Parlaments gestärkt. Aber das ist nicht so. Das Parlament muss lediglich informiert werden. Nur der Haushaltsausschuss muss der Beschlussfassung bei der konkreten Ausgestaltung noch zustimmen. Wer sich mit den Ausschüssen im Bundestag ein wenig befasst hat, kommt zu dem Schluss, dass es zwei Arten von Ausschüssen gibt:

  • Den Beschäftigungsausschuss, der manche Parlamentarier beschäftigen soll, damit sie keine Zeit haben, sich in wirklich wichtige Entscheidungen einzumischen
  • Den Opportun-Ausschuss, der opportun abnickt, was die jeweiligen Parteispitzen wollen.

Da die Regierungskoalition auch die meisten Ausschussmitglieder für den Haushaltsausschuss auch die meisten Mitglieder stellt, ist damit gewährleistet, dass der Haushaltsausschuss in jedem Fall zustimmt, egal, was die Regierung beschließt. Beim Thema Euro-Rettung ohnehin nur eine Formsache, denn Grüne und SPD haben längst ihre Zustimmung signalisiert. Alles, was sie darum herum als Voraussetzungen fordern, sind öffentlichkeitswirksame Placebos, schließlich steht noch eine Wahl vor der Tür. Am Kern der Sache geht das Geschwafel von Claudia Roth oder Gabriel und Konsorten weit vorbei. Ich glaube auch nicht an die scheinbaren Abweichler innerhalb von CDU oder FDP. Dort ist längst der Machtkampf um die zukünftige Ausrichtung entbrannt und nun wollen sich welche aus der zweiten Reihe profilieren.

Der Lissabonvertrag, so das BVerfG hatte angeblich keinen Einfluss auf die Urteilsfindung, es sei lediglich darum gegangen, ob die Maßnahmen der Regierung mit dem im GG festgeschriebenen Haushaltsrecht vereinbar seien. Ich finde das schon ein wenig merkwürdig, denn diese Regierung hat ja vor nicht allzu langer Zeit eine Verschuldungsobergrenze beschlossen und im GG verankert, die angesichts der Summen, um die es hier geht, nicht einzuhalten ist. Sicher, bisher werden nur Garantien gegeben, die aber mit jeder überwiesenen Tranche an Griechenland oder ein anderes Euro-Land weit überschritten wird. Doch das hat das BVerfG offenbar nicht interessiert.

Was offenbar weder für die Regierung noch für die Opposition eine Rolle spielt ist der Umstand, dass die rechtliche Lage im Lissabonvertrag nach Artikel 125 AEUV das Einstehen für finanzielle Schwierigkeiten eines EU-Landes strikt verbietet und ich vermute, dass auch der EuGH diesen Artikel ignorieren wird.

Wer also immer noch der Meinung ist, dass wir in einem Rechtsstaat leben, dem wird es von der Justiz und der Politik verdammt schwer gemacht, diese Meinung auch mit Fakten zu unterlegen. Und wer glaubt, dass Grundgesetz sei eine Verfassung, hat nicht begriffen, dass eine Verfassung die Rechtsgrundlagen eines Staates schützen soll und deshalb nicht nach Belieben an die Wünsche der Politiker angepasst werden darf. Eine Verfassung, die diesen Namen auch verdient soll den Bürger vor der Willkür der Politiker und auch der Justiz schützen und sollte deshalb nur mit Zustimmung des gesamten Volkes geändert werden dürfen. Wenn aber staatliche und justizielle Willkür durch einfache Änderung der Verfassung zum Verfassungsgrundsatz erhoben wird, dann ist eine solche Verfassung keine. Das ist wie mit der Unschuld. Ist sie einmal verloren, bekommt man sie nicht wieder.

Gert Flegelskamp

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