Kommentar von Gert Flegelskamp

BVerfG gibt ESM grünes Licht

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Autor: Gert Flegelskamp   

Nun wissen wir es alle, der ESM ist kein Problem, denn diese Aussage kommt ja aus berufenem Munde. In der Pressemitteilung des BVerfG steht es

schwarz auf weiß, dass der größte Teil der Klagen gegen den ESM ohnehin unbegründet war.

 

Bayern kann es auch allein
Kommentar der Redaktion:
12.09.2012 - Der Anfang vom Ende der EU

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird in die Geschichte als Meilenstein eingehen. Allerdings nicht im positiven Sinne. Langfristig wird die heutige EU zerfallen und die heutigen Nationalstaaten im Separatismus enden.

Im spanischen Katalonien demonstrieren bereits Millionen für die Unabhängigkeit von Spanien. Die Stadt Sant Pere de Torelló hat sich bereits zum "freien katalonischen Territorium" ernannt. Auch die Unabhängigkeitsbestrebungen der Basken lodern seit vielen Jahren, zum Teil sogar sehr blutig. Die Schotten wollen sich vom United Kingdom lösen und Teil eines Europas der Regionen werden. In Italien will seit 23 Jahren die rechtspopulistische Lega Nord die Wirtschaftsprobleme des Landes mit einer Abspaltung des Nordens lösen.

Bayerische Bürger die sich in letzter Zeit im Ausland zum Urlaub aufhielten und nach der Nationalität gefragt wurden, beantworten dies schon längst mit „Bavaria“ und nicht mit „Germany“. Ganz in diesem Tenor hat der CSU-Poplist Scharnagel mit seinem aktuellen Buch „Bayern kann es auch allein“, die Zeichen der Zeit durchaus verstanden, auch wenn er damit die Bayernpartei gnadenlos plagiiert.

Selbstredend erwähnt Scharnagel nicht, dass die Bayernpartei bereits Unterschriften für ein Volksbegehren zu einem Volksentscheid zur Änderung der Bayerischen Verfassung sammelt. Mit einem Volksentscheid gemäß Bayerischer Verfassung kann in Bayern bereits heute und vorallem ohne Mithilfe der CSU der Austritt aus der BRD realisiert werden.

Der allgemein bekannte Staatsrechter und ESM-Kläger, Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, hat bereits vor Jahren das Bayerische Recht auf Eigenstaatlichkeit substantiiert dargelegt. Scharnagel bedient mit seinem neuen Buch somit lediglich die dumpfe CSU-Klientel und tut so, als hätte er was neues erfunden. Insofern ist die Intention Scharnagels offensichtlich und entlarvt sich als Trittbrett-fahrerei, was auch der CSU letztendlich das Genick brechen wird und auch das ist gut so.

Nichtsdestotrotz ist Separatismus wohl der einzige Weg, sowohl einer europäischen Transferunion, als auch ihrem Vorbild, dem bundesdeutschen Länderfinanzausgleich, den Gar aus zu machen. Denn so wie das jetzt vom BVerfG durchgewunken wurde, sind ausschließlich die Fleißigen die Dummen. Das kann und wird auf Dauer nicht Bestand haben können.

Nicht zu vergessen, Bayern hat eine Verfassung, die BRD nicht! Die hat nur das Alliiertenprovisorium Grundgesetz FÜR die BRD, welches bis heute vom deutsche Volk nie ratifiziert wurde. Da wird auch die Juristen-floskel über die „normative Kraft des Faktischen“ nichts mehr ausrichten können, denn die Menschen im Lande haben dieses korrupte System einfach nur noch satt.

Die Politiker sollten dies alles allerdings nicht als Politikverdrossenheit sehen, sondern eher als Politikerverdrossenheit. Und da die Deutschen durchaus einen latenten Hang zum Faschismus und radikalen Lösungen haben, sollte dies den heute regierenden Politikern tatsächlich Sorgen bereiten. Nicht Sorgen um die Deutschen sondern eher Sorgen um das eigene künftige Wohlergehen. (bib)
Ich weiß nicht, aber bei mir haben die Verfassungsrichter den letzten Rest an Achtung, den ich noch empfunden habe, mit dieser Einschätzung der Lage Europas und Deutschlands insgesamt verspielt und ich schließe mich der Meinung des Mannes an, der gesagt hat, das BVerfG spräche kein Recht, sondern mache Politik mit anderen Mitteln.

Dreh- und Angelpunkt in diesem Urteil ist der Artikel 136 des AEUV, der um einen 3. Absatz ergänzt werden soll. Ich habe gedacht, dass dieser Zusatz in Artikel 136 AEUV auch beim BVerfG ein Stolperstein sein müsste, weil in keiner Veröffentlichung des Lissabonvertrages dieser Artikel in der veränderten Form existiert. Nun muss ich feststellen, dass Denken offenbar wirklich Glücksache ist und ich kein Glück hatte, denn dieser Artikel wurde schon geändert, ganz still und heimlich. Die Juristerei hat eben ihre eigene Sprache und es ist eine Sprache, die nicht Eingeweihte gar nicht verstehen sollen, weil man damit alle möglichen juristischen Winkelzüge verwirklichen kann.

Es beginnt im Lissabonvertrag mit Artikel 48, Absatz 6, dem "vereinfachten Änderungsverfahren". Danach kann jeder Mitgliedsstaat dem Europäischen Rat (das sind die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten) einen Änderungsvorschlag machen (Satz 1 im Abs. 6 von Art. 48). Am 16. Dezember 2010 hat die belgische Regierung gemäß Artikel 48 Absatz 6 Unterabsatz 1 EUV einen Vorschlag zur Änderung des Artikels 136 AEUV vorgelegt; dabei soll ein Absatz hinzugefügt werden, nach dem die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, einen - bei unbedingter Notwendigkeit zu aktivierenden - Stabilitätsmechanismus zur Wahrung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt einrichten können. Dieser Vorschlag gefiel dem Europäischen Rat, also haben sie ihn der Kommission sowie der EZB vorgelegt und auch das Parlament informiert und mit ihnen beraten, wobei "beraten" ein Euphemismus ist, wenn man mit einem juristischen Trick die bestehende Gesetzeslage aushebeln will. Doch dazu später mehr.

Aufgrund dieses Vorschlags wurden dann Beschlüsse gefasst und die Formulierung des Zusatzes für Art. 136 AEUV vorbereitet.
    (3)"Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen."

Nicht nur das, auch der ESM wurde in der nun folgenden Zeit zusammengeschustert, der erste Entwurf wurde noch in den Müll geworfen und der zweite (veröffentlichte) Entwurf war dann das, was nun ratifiziert werden darf, also von Gauck unterschrieben wird.

Der Änderungsantrag des Art. 136 wurde im März 2011 dem EU-Parlament vorgelegt, dass dann noch versucht hat, einige Änderungen zur eigenen Aufwertung in den Absätzen 1 + 2 des Art. 136 unterzubringen. Natürlich vergeblich, denn die Rechte des Parlaments in der EU sind nicht umsonst wesentlich eingeschränkt und weder der Europäische Rat noch die Kommission haben ein Interesse daran, diese Recht zu stärken. Aber bis man sich erst einmal zur Stellungnahme des Parlaments durchgerungen hat, muss man ein Wald von Phrasen durchlaufen und zumindest im Phrasen dreschen ist das Parlament der EU absolut gleichberechtigt.

Teil Zwei des Kommentars von Gert Flegelskamp sowie Details zu ESM-LEAK der Bayerischen Piratenpartei auf der nächsten Seite



ESM-LEAK: Piratenpartei Bayern veröffentlicht unter Verschluss gehaltene ESM-Dokumente
ESM-LEAK: Piratenpartei Bayern veröffentlicht unter Verschluss gehaltene ESM-Dokumente

Die Bayerischen Piraten veröffentlichen eine Stunde vor der ESM-Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts Dokumente, die bis dato der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden sind und sorgten so für Aufregung.

Besonders gross war die Empörung bei der FDP, wie SPIEGEL ONLINE berichtete. Der FDP-Generalsekretär bezichtigte den Bayerischen Landesverband der Piraten der "Effekthascherei" und forderte die Piratenpartei auf, sich nicht als "Daten-Robin-Hood" aufspielen, sondern anzuerkennen, dass Politik vor allem auch "Verlässlichkeit und Vertrauen" bedeute.

Solche Worte aus dem Munde eines neoliberalen Generalssekretärs einer Hinterzimmerpolitik- und Klientel-Partei, gepaart mit künstlicher Erregung sind natürlich Unfug und pure Heuchelei. Die in den bisher unter Verschluss gehaltenen Dokumenten enthaltenen Detailbestimmungen zur Durchführung des ESM wurden nur dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zur Zustimmung vorgelegt. Eine öffentliche Diskussion durfte aufgrund der Kennzeichnung mancher Dokumente als “Vertraulich” oder “Verschlusssache” eben nicht stattfinden. Dem setzten die Bayerischen Piraten nun endlich einen Schlussstrich.

Für Aleks Lessmann, dem politischen Geschäftsführer der Piraten in Bayern stellen sich viele Fragen. Wieso sind diese Dokumente Verschlusssache? Wieso dürfen die Bürger nicht wissen, wer in welcher Form über ihr Geld verfügt? Wieso dürfen die Bürger nicht erfahren, dass sich der ESM auf die Bewertungen von vornehmlich amerikanischen Rating-Agenturen verlässt? Und um das unter der Prämisse um mehr Transparenz in der Politik zu ändern, veröffentlichen die Bayern-Piraten ab dem 12.09.2012 insgesamt 16 bisher unbekannte Dokumente über den Europäischen Stabilitätsmechanismus.

Vorerst sind das folgende Dateien: ESM-Anlagerichtlinie
ESM-Anschreiben
ESM-Beschaeftigung
ESM-Kapitalabrufe
ESM-Satzung

mehr bei ESM-LEAK: Piratenpartei Bayern
Natürlich hat das EU-Parlament die Änderung abgenickt und wenn ich das richtig verstandenen habe, durften auch die Abgeordneten der Mitglieds-staaten abstimmen, die nicht zur Euro-Zone gehören, was ich wiederum nicht verstehe. EU-technisch war nun alles klar, aber noch durften die Parlamente der Mitgliedsländer (zumindest einiger davon) ein Wörtchen mitreden. Na ja, mitreden ist so eine Redensart, denn nach des Status der Parteidisziplin dürfen sie eigentlich auch nur nicken, eine Art Schüttellähmung von oben nach unten und wieder zurück. Also brachte die Regierungskoalition am 20.03.2012 einen entsprechenden Gesetzentwurf ein, Frau Merkel beauftragte am 23. 04.2012 den Bundestagspräsidenten Lammert, die Beschlussfassung zu veranlassen und am 29.06. 2012 stimmte das deutsche Parlament mit 504 Ja-Stimmen, 97 Nein-Stimmen (vornehmlich die Linke) und 1 Enthaltung für die Änderung des Artikel 136 und damit war Artikel 136 gültig, auch wenn er noch nicht in die offiziellen Verträge übernommen wurde. Das liegt aber daran, dass er erst ab dem 01. Januar 2013 offizielles EU-Recht ist (also mit dem offiziellen Start des ESM zusammen) , aber für das BVerfG gültig und durchaus eine rechtliche Grundlage, weil er bereits im deutschen Recht verankert ist.

Was hier auf den Vorschlag Belgiens eingeführt wurde, ist eigentlich ein juristischer Geniestreich. Art. 125 AEUV enthält die so genannte Bailout Klausel, die einen Haftungs-ausschluss der EU-Länder gegenüber anderen EU-Ländern darstellt. Dabei bleibt es auch, kein EU-Land muss für ein anderes EU-Land finanziell einspringen. Auch Artikel 136 AEUV verlangt ja nicht, dass die Euro-Staaten untereinander Haftung für die anderen EU-Staaten übernehmen müssen. Der 3. Absatz des Art. 136 besagt lediglich, dass man einen Mechanismus einrichten kann, der die Stabilität des Euro gewährleisten soll. Man kann auf die Änderung des Art. 125 AEUV verzichten, denn das hätten die Briten ohnehin nicht mitgemacht. Stattdessen hat man mit einem kleinen Satz die Möglichkeit geschaffen, eine kleine Pestbeule an den Vertrag anzuhängen, in Form des ESM und das diese Pestbeule wachsen wird, davon bin ich überzeugt. Unsere vier "pro Europa-Parteien" werden tatkräftig helfen, dass das passiert. Man hat je auch mit Hilfe des BVerfG dafür gesorgt, dass man bei Protesten der Bevölkerung das Militär holen kann. Wie heißt noch der Schlager? Ich baue eine Stadt für Dich, aus Bomben, Panzern und Gewalt? Ich weiß, der zweite Satz ist anders, aber der hier ist wahrer, denn diese Stadt baut das Militär ja wirklich.

Nun bin ich ja kein gläubiger Mensch. Ich glaube nicht an die Bibel und ich glaube ebenso wenig an die Ehrlichkeit der Politik. Noch weniger glaube ich allerdings an die Stabilität einer Missgeburt mit Namen Euro. Eine Einheitswährung kann nicht funktionieren, wenn die Volkswirtschaften, die er umfasst, in jeder Hinsicht völlig unterschiedlich sind und ich bin mir sicher, dass das diejenigen wussten, die den Euro als Währung eingeführt haben. Es ist schlichtweg falsch, den Menschen in Griechenland, in Italien, Portugal oder Spanien die Schuld zu geben und es ist auch falsch, nun die Rentenmodelle oder die Arbeitszeiten dieser Nationen gegeneinander aufzurechnen. Wenn unsere Modelle schlechter sind, wir also mehr und länger arbeiten müssen, dann ist das politisch gewollt, damit Deutschland als Exportnation mit an erster Stelle steht, ausgetragen auf den Rücken der Arbeitnehmer und auch der Arbeitslosen und Rentner. Der ESM ist nun das Instrument, mit dem diejenigen, die ihren Hals nie voll bekommen, die Nationen noch in stärkerem Maße ausplündern können, als sie es ohnehin schon tun. Der ESM rettet nicht den Euro, sondern die Banken und die Inhaber von Staatsanleihen und dafür wird dank ESM privatisiert, Renten gekürzt und das Lohngefüge noch weiter zerstört. Nicht sofort, sondern ganz allmählich. Die Aussagen des BVerfG über die Einhaltung der Macht über die Transaktionen des ESM durch die Parlamente sind einfach nur Geschwätz, denn diese Parlamente nicken seit Jahren ab, was die Fraktionsspitzen und die Parteien ihnen vorgeben. Außer der Linken gibt es nur ganz vereinzelt Abgeordnete wie Gauweiler oder Ströbele, die mit einem Nein stimmen. Wer weiß heute schon, wie viel mancher Abgeordnete an Kapital durch seine Nebentätigkeiten inzwischen gebunkert hat und letztendlich damit zu den Nutznießern des ESM gehört.

Wenn man beim Thema Europa genauer hinhört oder ein wenig genauer die Verträge liest, merkt man vielleicht, dass es diesem Europa nicht um die Menschen geht, sondern nur um die Wirtschaft und auch dort nicht um die gesamte Wirtschaft, sondern lediglich um einen kleinen Kreis, meist multinationaler Konzerne.

Das BVerfG ignoriert in seinem Urteil völlig, dass Deutschland mit derzeit 2,2 Billionen offizieller Schulden (wie hoch die Verschuldung aus so genannten Nebenhaushalten sind, weiß kaum jemand) eigentlich stärker verschuldet ist, als die gescholtenen Staaten und die Lasten, die ihm der ESM als Zahlmeister aufbürdet, eigentlich gar nicht schultern kann. Wenn das BVerfG von einer Art Gewohnheitsrecht spricht, das völkerrechtlich auch einen Austritt aus dem Vertrag ermöglicht, sollte es vielleicht auch mal anführen, woraus dieses Gewohnheitsrecht rekrutiert. Zumindest ist mir lediglich aus Südamerika bekannt, in dem ein Land (Argentinien) aus einem der supranationalen Verträge ausgestiegen wäre, ansonsten nicht mal aus der WTO, obwohl gerade die WTO zumindest eine Austrittsregel hat. Und gegen Argentinien und Chile intrigiert die amerikanische Wirtschaft, die Geburtsstätte der supranationalen Verträge, seither ununterbrochen.

Nun kommen Sie aber nicht auf die Idee, die Linke zu wählen, denn die wollen ja sozialisieren, wie das Wort heißt, wenn man mehr Geld an die arbeitende Bevölkerung verteilt und das würde ja diesen Staat ruinieren. Schließlich würde eine Stärkung der Binnenwirtschaft dort auch Arbeitsplätze schaffen, die man nicht gebrauchen kann, weil sie dem Lohndumping und damit dem Export Schaden zufügen würden.

Gert Flegelskamp

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