Kommentar von Gert Flegelskamp

ACTA und ESM - Seite 2

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Autor: Gert Flegelskamp   
Es wurde sehr viel in diesem Vertrag gegenüber dem ehemaligen Vertragsentwurf geändert. Wie ich schon früher vermutete, wird einiges einfach anders verklausuliert, anderes hingegen lässt bei mir Alarmglocken schrillen, von denen ich zuvor nicht wusste, dass ich sie hatte. Es beginnt bereits bei der Einleitung. Da wird in Abschnitt 5 ganz beiläufig ein SKS-Vertrag erwähnt, der parallel zum ESM-Vertrag installiert werden soll.

Im Wortlaut:
Am 9. Dezember 2011 vereinbarten die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets Schritte in Richtung auf eine stärkere Wirtschaftsunion, die einen neuen fiskalpolitischen Pakt und eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung umfasst und im Rahmen eines zwischenstaatlichen Übereinkommens, des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion („SKS-Vertrag“), umgesetzt werden soll. Mit dem SKS-Vertrag wird zur Entwicklung einer engeren Koordinierung innerhalb des Euro-Währungsgebiets beigetragen, um eine nachhaltige, solide und robuste Verwaltung der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten und so einer der Hauptursachen für Finanzinstabilität entgegenzuwirken. Der vorliegende Vertrag und der SKS-Vertrag ergänzen einander bei der Förderung von fiskalischer Verantwortung und Solidarität innerhalb der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Es wird anerkannt und vereinbart, dass die Gewährung von Finanzhilfe im Rahmen neuer Programme unter dem ESM ab 1. März 2013 die Ratifizierung des SKS-Vertrags durch das betreffende ESM-Mitglied und nach Ablauf der in Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags genannten Umsetzungsfrist die Einhaltung dieses Artikels voraussetzt.

Was wohl in diesem SKS-Vertrag stehen wird? In der ursprünglichen Einleitung war von diesem Vertrag keine Rede. Im Netz habe ich auch nichts zu diesem zusätzlichen Vertrag gefunden. Was ich in diesem Vertrag nicht gefunden habe, sind die Artikel 13A bis 16A, obwohl mehrfach darauf Bezug genommen wird. Da bei diesen Artikeln auch Hinweis auf einen anderen Vertrag besteht, kann ich nur unterstellen, dass diese Artikel erst nach der Ratifizierung aufgenommen werden sollen, denn welcher Abgeordnete kontrolliert schon die beständigen Bezüge auf andere Verträge oder andere Artikel in diesem Vertrag. So wird wohl den meisten Abgeordneten verborgen bleiben, dass es diese Artikel nicht oder noch nicht gibt.

[28C3] Cory Doctorow:
The coming war on general computation

Auf der 28C3 hielt Cory Doctorow einen glorreichen Vortrag über den den Krieg der Content-Mafia gegen die Freiheit im Internet. Der Vortrag ist in englischer Sprache, ein deutsches Transscript gibt es bei achnichts.cwoehrl.de.

Sid der Liedermacher - Fuck Sony Entertainment
Sid: "Mir ist übrigens klar: Sony sind nicht unbedingt die Bösen und Youtube die Guten! Das gleiche gilt für Gema, WMI, Emi, Universal und wen auch immer. Der Song drückt ein Gefühl aus und die grobe Vereinfachung darin ist ein Stilmittel." mehr...
Was mir weiterhin aufgefallen ist, ist der in Artikel 32 angeführte Eigentumsbegriff. Das verstehe ich nicht, denn der ESM hat kein Eigentum, sondern ist Bestandteil eines ausschließlich aus Steuergeldern finanzierten Instrumentes der EU. Die EU ist aber lediglich ein aufgrund von Verträgen zusammengefasster Verbund von Einzelstaaten, wobei jeder dieser Staaten kein Eigentum der jeweiligen Regierung ist, sondern die Gesamtheit seiner Bürger, die ihn mit ihren Steuerzahlungen finanzieren. Auch wenn die Einzahlungen für den ESM nur durch die Aufnahme neuer Kredite dieser EU-Staaten überhaupt gewährleistet werden kann, ist es letztendlich der jeweilige Bürger, der diese Kredite durch seine steuerlichen Leistungen incl. der Zinsen tilgt. Wie also kann der ESM hier von seinem Eigentum reden und es, wie in dem Artikel vorgesehen, für etwas Immunität fordern, das er nicht besitzt?

Artikel 34 nimmt die Bediensteten des ESM in ein Schweigegelübde, das mich irgendwie an die Bilderberger erinnert. Aber ich denke schon, dass in diesem Konstrukt so manches passieren wird, dass das Licht der Öffentlichkeit scheut. Eigentlich unvorstellbar, dass eine Institution, die ausschließlich mit Steuergeldern finanziert wird, jegliche Transparenz kategorisch vertraglich ausschließt. Nicht zu vergessen, dieser Vertrag muss von den Parlamenten abgesegnet werden und Transparenz öffentlicher Entscheidungen ist eigentlich ein Grundrecht.

Artikel 35 betont, dass es im "Interesse des ESM" läge, dass Gouverneursrat, Direktorium und Bedienstete in allen Bezugspunkten zum ESM absolute Immunität genießen. Das ist verständlich, denn somit haben sie Narrenfreiheit und brauchen auch keine gesetzlichen Schranken zu beachten. Das haben sie wohl dem IWF abgeschaut, mit dem sie ohnehin eng zusammen arbeiten wollen. Nur frage ich mich, wie es in einem angeblichen Rechtsstaat und einer angeblichen Demokratie sein kann, dass eine Finanzorganisation jeglichem Rechtszugriff entzogen wird.

Geht es noch schlimmer? Ja, natürlich. Artikel 36 setzt noch einen drauf, indem er dem ESM innerhalb aller beteiligten Staaten eine absolute Steuerbefreiung gewährt, mehr noch, dem ESM ein eigenes Steuerrecht zubilligt, dem alle beim ESM Beschäftigten unterliegen. Kauft der ESM innerhalb dieser Staaten etwas ein, müssen ihm alle darauf entfallenen Steuern ersetzt werden, also die indirekten Steuern ebenso, wie die Umsatzsteuer. Da kann man wohl spekulieren, dass alle Fahrten von ESM-Beschäftigten zu einer Tankstelle reine Dienstfahrten sind. Ob ich mich wohl um einen Job beim ESM bemühen sollte?

Im Moment lass ich es mal dabei bewenden, obwohl dieser Vertrag noch eine Menge anderen Zündstoff in sich birgt, doch das habe ich vor, in weiteren Artikel darzulegen, auch deswegen, weil ich ein flüchtiges "erstes Lesen" nicht ausreichend finde, um die Tragweite mancher Passen dieses Vertrages auf Anhieb zu verstehen. Doch eines habe ich bereits begriffen. Die echte Vertragsgestaltung findet innerhalb des ESM statt, wenn die zahlreichen "Kann-Bestimmungen" im Vertrag durch das Direktorium filetiert und in Rechtsform festgelegt wurden. Denn mit der Unterzeichnung dieses Vertrages geben die ESM-Mitglieder dem ESM völlige Narrenfreiheit ohne jedwede gesetzliche Beschränkung und Kontrolle.

Gert Flegelskamp

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