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Staatsbürgerkunde

Sind Sie deutsche(r) Staatsangehörige(r)? - Seite 2

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Autor: bib   


Beim ersten Telefonat mit der zuständigen Abteilung "Staatsangehörigkeit" des kommunalen Einwohneramtes vor Ort war zu erfahren, daß, weil der Antragsteller vor 1975 geboren war, sich seine Abstammung nach dem Vater richtet. Bei nach 1975 geboren wäre die Abstammungslinie von der Mutter möglich gewesen.

Die freundliche Sachbearbeiterin erklärte, da der Antragsteller ledig ist, sind folgende Dokumente zur Feststellung der Staatsangehörigkeit zu bringen:
  • Geburtsurkunde und Personalausweis des Antragstellers
  • Familienbuch und Heiratsurkunde seiner Eltern
  • Geburtsurkunde des Vaters
  • Ort und Zeitpunkt der (ersten) Verbeamtung des Vaters

Soweit, so gut - die Geburtsurkunde und einen Personalausweis konnte der Antragsteller vorweisen. Auch war das Familienbuch und die Heiratsurkunde der Eltern unproblematisch.


Die Tschechoslowakei 1928

Etwas schwieriger wurde es mit Nachweisen des Vaters des Antragstellers, denn dieser ist heute knapp 84 Jahre alt, seit 1983 in Pension. Eine Geburtsurkunde ist sicher nicht vorhanden, denn alle Urkunden gingen bei Kriegsende 1945 verloren, da er in seine Heimat durch die dortige Vertreibung der Sudeten nicht mehr zurückkehren konnte.

Der Geburtsort liegt im heutigen Tschechien. Zur Zeit der Geburt des Vaters war dies der Vielvölkerstaat Tschechoslowakische Republik, circa ein Viertel der Bevölkerung waren Deutschböhmen (Sudeten). Diese deutsche Volksgruppe war 1918 nach dem Zerfall der Donaumonarchie von Österreich-Ungarn ab 1919 der "Ersten Tschechoslowakischen Republik" zugehörig.

Wenn der Antragsteller, aus welchen Gründen auch immer, diese Nachweise seiner Vorfahren und Abstammung nicht beibringen kann, könnte lediglich ein vereinfachtes Feststellungsverfahren angewendet werden. Dieses Verfahren kann jedoch nicht den Zeitpunkt bestimmen, ab wann eine Staatsangehörigkeit beim dementsprechenden Antragsteller vorlag, was unter Umständen zu Nachteilen in verschiedenen Hinsichten führen könnte, die im Einzelnen für den Moment nicht wirklich absehbar sind.

Der Antragsteller ist 48 Jahre alt, 1960 in einer mittelgroßen bayerischen Stadt geboren und lebt auch heute noch dort. Sein Vater ist 1925 in Prachatitz / Böhmen geboren (Damals: Tschechoslowakei - Heute: Tschechien). Die Mutter des Antragstellers ist in Berchtesgaden/Bayern geboren.

1919_st.germain
Deutsches Reich / Tschechoslowakei
Östereich - Ungarn nach 1918
Da die Geburtstadt des Vaters Prachatitz (heute:Prachatice) in Böhmen nach dem Zerfall der K&K Monarchie Österreich-Ungarn 1918 in dem dann neu gegründeten Vielvölkerstaat Tschechoslowakei aufging, wurde der Vater 1925 zwar mit deutscher Staatsangehörigkeit, jedoch als tschechoslowakischer Staatsbürger geboren. Auf Grund des Münchner Abkommens vom 29.09.1938 wurden die deutschsprachigen Gebiete (Sudetenland) vom Deutschen Reich annektiert. Die „alteingesessenen“ Bewohner dieser Gebiete erhielten unter der der Parole "Heim ins Reich" automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, so wurde der Vater im zarten Alter von 13 Jahren dann automatisch Reichsdeutscher.

Mit 17 Jahren, am 01. November 1942, wurde der Vater nach seiner Ausbildung im Ort Wallern (heute: Volary) zum ersten mal Beamter als Posthilfsschaffner. 14 Tage später wurde er in den Kriegsdienst einberufen und geriet im April 1944 dann in amerikanische Kriegsgefangenschaft (Regensburg/Nürnberg), aus der er im Frühjahr 1946 entlassen wurde.

Die Tschecheslowaken hatten mit dem so genannten Maiaufstands des tschechischen Volkes (5. Mai 1945) begonnen Deutsche aus dem Sudetengebieten zu vertreiben. Der Vater war bei seiner Entlassung Heimatvertriebener, weil er seine Heimat in den Grenzen Österreich-Ungarn von 1914 verlassen musste, bzw. nicht mehr zurückkehren konnte.