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Kommentar von Gert Flegelskamp

Howgh, die Häuptlinge der Gesetze haben gesprochen!

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Autor: Gert Flegelskamp   
Dieses Mal ging es um den Einsatz der Bundeswehr im Innern, eine seit Schily heiß ersehnte Stärkung der Macht des Innenministers, die aber in einem Urteil des ersten Senats von 2006 dahingehend beschnitten wurde, dass der 1. Senat nicht damit einverstanden war, dass das Militär ein vollbesetztes Flugzeug vom Himmel blasen dürfe, wenn dieses in der Gewalt von Terroristen sei.

Sondervotum des Richters am Bundesverfassungsgericht Gaier:
Das Grundgesetz in seiner gegenwärtigen Fassung schließt den Kampfeinsatz der Streitkräfte im Inneren mit spezifisch militärischen Waffen sowohl in Fällen des regionalen (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG) wie in Fällen des überregionalen (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG) Katastrophennotstandes aus. Mit seiner Antwort auf die zweite Vorlagefrage würdigt das Plenum weder hinreichend den Wortlaut der einschlägigen Verfassungsnormen unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte noch erfolgt eine systematische Auslegung mit Blick auf die Einheit der Verfassung als „vornehmstes Interpretationsprinzip“. Insoweit hat der Plenarbeschluss im Ergebnis die Wirkungen einer Verfassungsänderung.

1. Auch und gerade seitdem nach der Notstandsgesetzgebung anders als vor 1968 der Einsatz des Militärs im Inneren nicht mehr schlechthin unzulässig ist, bleibt strenge Restriktion geboten. Es ist sicherzustellen, dass die Streitkräfte niemals als innenpolitisches Machtinstrument eingesetzt werden. Abgesehen von dem extremen Ausnahmefall des Staatsnotstandes, in dem nur zur Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer als letztes Mittel auch Kampfeinsätze der Streitkräfte im Inland zulässig sind (Art. 87a Abs. 4 GG), bleibt die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit allein Aufgabe der Polizei. Ihre Funktion ist die der Gefahrenabwehr und nur über hierfür geeignete und erforderliche Waffen darf die Polizei verfügen; hingegen sind Kampfeinsätze der Streitkräfte auf die Vernichtung des Gegners gerichtet, was spezifisch militärische Bewaffnung notwendig macht. Mit dieser strikten Trennung zieht unsere Verfassung aus historischen Erfahrungen die gebotenen Konsequenzen und macht den grundsätzlichen Ausschluss der Streitkräfte von bewaffneten Einsätzen im Inland zu einem fundamentalen Prinzip des Staatswesens. Wer hieran etwas ändern will, muss die zu einer Verfassungsänderung erforderlichen parlamentarischen Mehrheiten für sich gewinnen, was Anfang 2009 nicht gelungen ist. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, hier korrigierend einzugreifen.

2. Dass ein Einsatz der Streitkräfte mit militärischer Bewaffnung in beiden Fällen des Katastrophennotstandes von Verfassungs wegen untersagt ist, lässt sich mit einer historischen Verfassungsinterpretation, vor allem aber mit einer systematischen Auslegung des Grundgesetzes begründen. Entgegen der Auffassung des Plenums hat der Rechtsausschuss des Bundestages im Rahmen der Notstandsgesetzgebung im Jahr 1968 eine klare Entscheidung getroffen und in seinem damaligen Bericht, der Grundlage für den Gesetzgebungsbeschluss des Bundestages zur Verfassungsänderung war, unmissverständlich vorgeschlagen, den Einsatz militärisch bewaffneter Streitkräfte auf den Staatsnotstand als eine besonders gefährdende Situation des inneren Notstandes (Art. 87a Abs. 4 GG) zu beschränken. Zudem lässt das Plenum völlig außer Acht, dass zur Zeit der Notstandsgesetzgebung eine weitergehende Zulassung des Einsatzes militärisch bewaffneter Einheiten der Streitkräfte im Inneren politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre. Im Einklang damit steht die Systematik, die das Grundgesetz mit der Implementierung der „Notstandsverfassung“ erfahren hat. Die strikte Trennung der Regelung des Katastrophennotstandes einerseits von der des inneren Notstandes andererseits belegt, dass diese beiden Fälle des Streitkräfteeinsatzes im Inneren völlig unterschiedliche, sich nicht überschneidende Anwendungsbereiche haben und deshalb nicht durch die Zulassung spezifisch militärischer Bewaffnung auch in Fällen des Katastrophennotstandes vermengt werden dürfen. Zudem lässt auch der Umstand, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Bundesregierung einem Kollegialorgan die Zuständigkeit für die Einsatzentscheidung zuweist, nur den Schluss zu, dass er von vornherein den Einsatz spezifisch militärischer Waffen im Katastrophennotstand nicht für erforderlich hielt und damit auch nicht legitimieren wollte. Denn Gefährdungslagen, denen effektiv nur mit dem Einsatz solcher Waffen mit Vernichtungskraft begegnet werden kann, sind dadurch gekennzeichnet, dass ihrer Beseitigung jede zeitliche Verzögerung abträglich ist. Daher wäre die Betrauung eines in der Entscheidungsfindung vergleichsweise schwerfälligen Kollegialorgans mit der Initiativbefugnis zum Einschreiten gerade auch mit Blick auf die vom verfassungsändernden Gesetzgeber angestrebte „wirksame Bekämpfung“ dysfunktional.

3. Der Plenarbeschluss kann mit den von ihm entwickelten Kriterien eine Umgehung der engen Voraussetzungen des inneren Notstandes nach Art. 87a Abs. 4 GG durch die weniger strengen Voraussetzungen des Katastrophennotstandes nicht verhindern. Der Versuch der weiteren Eingrenzung des bewaffneten Streitkräfteeinsatzes durch das Erfordernis eines „unmittelbar bevorstehenden“ Schadenseintritts „von katastrophischen Dimensionen“ wird der nötigen Klarheit und Berechenbarkeit nicht gerecht. Es handelt sich um gänzlich unbestimmte, gerichtlich kaum effektiv kontrollierbare Kategorien, die in der täglichen Anwendungspraxis - etwa bei regierungskritischen Großdemonstrationen - viel Spielraum für subjektive Einschätzungen, wenn nicht gar voreilige Prognosen lassen. Das ist jedenfalls bei Inlandseinsätzen militärisch bewaffneter Streitkräfte nicht hinnehmbar. Im Schatten eines Arsenals militärischer Waffen kann freie Meinungsäußerung schwerlich gedeihen.

4. Im Übrigen bietet der durch den Plenarbeschluss nun erweiterte Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Inneren für den Schutz der Bevölkerung namentlich vor terroristischen Angriffen keine messbaren Vorteile. Zwar mag es danach nunmehr zulässig sein, dass Kampfflugzeuge unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 LuftSiG „Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben“. Die erfolgreiche Gefahrenabwehr durch solche Maßnahmen wird allerdings insbesondere in „Renegade“-Fällen deshalb wenig wahrscheinlich sein, weil der Abschuss von Flugzeugen, in denen sich Passagiere und Besatzungsmitglieder befinden, mit dem Grundrecht auf Leben in Verbindung mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar ist und unzulässig bleibt. Es kommt hinzu, dass - auch nach der Auffassung des Plenums - ohne Verfassungsänderung allein die Bundesregierung nach Maßgabe des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG über den Einsatz militärischer Waffen gegen Luftfahrzeuge befinden kann, was angesichts des vergleichsweise kleinen deutschen Luftraums kaum jemals zu einer rechtzeitigen Maßnahme führen wird. Soll danach der Rahmen, den das materielle Verfassungsrecht für eine effektive Abwehr von Gefahren aus dem Luftraum lässt, genutzt werden, so ist trotz der nun erweiterten Zulässigkeit von Kampfeinsätzen eine Verfassungsänderung gleichwohl unvermeidlich. Quelle: BVerfG
Die Länder Bayern und Hessen haben dann einige Zeit später eine so genannte abstrakte Normenkontrollklage angestrengt (das ist eine Klage, bei der die Zuständigkeiten der Länder nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wird bzw. wurde. Die Begründung kann man in der Pressemeldung des BVerfG nachlesen, in der auch die Pressemitteilungen zum "NO" des BVerfG zum Luftsicherheitsgesetz und zur mündlichen Anhörung der Normenkontrollklage Hessens und Bayerns verlinkt sind.

Ich habe das Urteil nicht gelesen, sondern stütze mich auf die Aussagen der Presse und vor allem der Pressemitteilung des BVerfG. Nach diesen Aussagen erlaube ich mir Zweifel daran, dass die Verfassungsrichter außerhalb juristischer Wortklauberei bei ihrer Urteilsfindung auch logisches Denkvermögen einsetzen.

Sie kommen mir eher vor, wie Bibelgelehrte, die sich über die Interpretation von Bibelzitaten über einen langen Zeitraum streiten, wobei gelegentlich sogar wegen abweichender Auslegung eine neue und einkunftsträchtige Kirche entstehen kann. Doch das ist beim BVerfG, zumindest derzeit noch nicht zu befürchten, dass ja bereits aus zwei Kammern (Senat benannt) mit je 8 Richtern besteht. Der Erste Senat ist insbesondere für die Auslegung einzelner Verfassungsgrundsätze zuständig, während der Zweite Senat sich vor allem mit Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen und Fragen des Staatsrechts befasst. Im Normalfall arbeiten diese beiden Kammern getrennt voneinander, ausgenommen, die Rechtsansichten beider Kammern prallen bei einem Thema mit gegenteiliger Rechtsauffassung aufeinander. Dann kommt es, wie in diesem Fall, zu einem so genannten Plenarbeschluss, der von allen 16 Richtern gemeinsam gefasst wird.

Auch wenn das Gericht besonders auf die theoretische Möglichkeit einer von Terroristen gekaperten Flugmaschine in Anlehnung an die Szenen vom 11.09.2001 in den USA abhebt, geht es bei diesem Urteil um wesentlich mehr, weil das nur eine Spielart sein soll, um dem Militär Einsätze im Innern zu gestatten. Die schwammigen Auslegungen der Richter werden ganz sicher in Zukunft von der Politik sehr weit ausgelegt werden und weitgehende Übergriffe dann schulterzuckend mit "einer Fehleinschätzung der Gefahrenlage" abgetan werden.

Der Kampf gegen den Terror ist eine amerikanische Spezifikation als Folge des 11.09.2001, die von den meisten westlichen Nationen übernommen wurde. Diese Spezifikationen nutzte Bush, um ohne UN-Mandat Afghanistan und den Irak völkerrechtswidrig zu überfallen, die Rechte der Amerikaner extrem zu beschneiden und dem Heimatschutz nahezu unbegrenzte Vollmachten zu erteilen. Doch das, was gemeinhin als Terrorismus bezeichnet wird, sind Aktionen Einzelner, denen das Militär nichts entgegenzusetzen hat. Ein Selbstmordattentäter z.B. kann nicht vom Militär aufgehalten werden. Hinzu kommt, dass die Ausbildung von Soldaten weder auf innerstaatliche Einsätze noch auf Ermittlungsarbeit ausgerichtet ist.

Einzeltäter können aber leicht in einer Menge untertauchen, bspw. in einer regulär angemeldeten Demonstration. Was macht das Militär dann? Laut Urteil des BVerfG darf das Militär nicht gegen Demonstranten eingesetzt werden. Was aber, wenn der "Attentäter" bewaffnet ist und ein paar Schüsse in die Luft abfeuert? Wird dann die Demonstration zum organisierten und bewaffneten Aufstand?

In einigen vergangenen Demonstrationen wurden von Staatswegen Leute als so genannte Agent Provocateur eingesetzt, die eigentlich staatliche besoldete Terroristen mit dem Auftrag sind, Ausschreitungen bei einer Demonstration anzuheizen, damit Presse und Fernsehen den eigentlichen Grund der Demonstration bei ihrer Berichterstattung nur nebensächlich behandeln, intensiv aber über die Ausschreitungen berichten, um damit vor allem bei der Allgemeinheit das Image des der Demonstration zugrunde liegenden Problems zu schädigen und (eher sekundär), um der Polizei Grund zu geben, die Demo aufzulösen.

Angenommen, Terroristen wollen Böses und das in Deutschland. Schnell ist die Regierung einig und sendet Militär. 1 oder 2 Bataillone, was weiß ich. Vor 70 Jahren machte man die Feinde mit einem Stern kenntlich, aber die Terroristen heute weigern sich einfach, sich durch einen Aufkleber auf der Kleidung kenntlich zu machen. Dabei würde ein T-Shirt mit der Abbildung eines Sprengstoffgürtels oder einer Armbinde mit dem Bild einer Handgranate der Politik die Entscheidung doch erheblich erleichtern, ob man das Militär einsetzt oder nicht. Hier ist nun mein Dilemma, woran erkennt der Soldat denn nun den Terroristen. Ich hab's! Der sieht nicht deutsch aus. Also Peng, peng, peng auf alles, was nicht deutsch aussieht und schon ist das Problem gelöst! Oder doch nicht?

Ein solches Verfahren würde reichen, der Politik Ausreden zu liefern, gegen Demonstrationen militärisch einzuschreiten. Man hat eben einen oder mehrere mutmaßliche Terroristen ausgemacht, die sich in der Menge verkrochen haben.

Terroristen treten nicht als Massenphänomen auf, also was soll da das Militär ausrichten? 20 bis 21-jährige Bubis, die vielleicht gerade die Ausbildung hinter sich haben?

Folglich sind andere Einsätze der Bundeswehr im Innern als die vom BVerfG angenommenen Gründe vermutlich mehr als nur Hintergedanken, vielleicht sogar eine Verschwörung?

Dieses Urteil lässt an der Urteilsfähigkeit der Verfassungsrichter zweifeln. Das hat der Richter Gaier offenbar als einziger erkannt und deshalb in der Pressemitteilung seine konträre Einschätzung abgegeben.

Aber, liebe Soldaten, wenn Ihr dann mal abkommandiert werden, um Terrorismus zu bekämpfen, fahrt mal zuerst nach Berlin. Dort soll es Viertel geben, wo ganz viele zu finden sind und es geht das Gerücht um, die würden sogar teilweise alle 4 oder 5 Jahre ausgetauscht.

Gert Flegelskamp

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